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Dies ist ein Teil des deutschen "Flightgear Handbuches", aufbauend auf der originalen "getstart.pdf". Besuche auch die anderen Teile durch Maus-Klick auf:

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Theorien: Warum wie!

Nachdem wir nun bewiesen haben, dass wir „fliegen“ können, wäre es gut zu verstehen „warum wir tun was wir tun“ -- und wie wir uns verbessern können!

Falls Du glaubst der Motor bzw. Propeller würde unsere Cessna in die Richtung ziehen in die wir wollen, z.B. nach oben oder unten - dann irrst Du Dich: Das funktioniert so nur bei einer Rakete - ein Flugzeug funktioniert anders. Du hast sicher schon mal gesehen, dass ein Flugzeug riesige Tragflächen hat - und Raketen nicht! Genau darum: Wir brauchen die Tragflächen zum fliegen - eine Rakete nicht! Das ist sowohl sichtbar als auch technisch/theoretisch ein riesiger Unterschied!

Ähnlich ist der Unterschied zwischen einem Auto und einem Flugzeug. Du hast sicherlich schon gemerkt, dass z.B. zum Lenken mehr benötigt wird als nur das Lenkrad (um damit die Vorderräder) einzuschlagen -- versuch das mal auf Eis, dann merkst Du was ich meine. Da muss noch was anderes sein! Beim Auto ist das die Haftung/Reibung zwischen Rad und Straße -- beim Flugzeug ist es die Haftung zwischen - na was wohl? Da ist nix anders als Luft - also muss es wohl die Luft sein! Wir werden gleich sehen wie das funktioniert!

Im Folgenden wollen wir hier nicht alle theoretischen Grundlagen über das Fliegen abhandeln – dafür gibt es sehr ausführliche Bücher und riesige wissenschaftliche Abhandlungen (siehe die Einleitung). Aber ein paar Grundlagen sind nötig um erklären zu können warum Du was wann tun solltest!

Einwirkende Kräfte

Theorie-1-Forces.png
Lass uns einmal die auf das Flugzeug einwirkende Kräfte mit denen bei einem Auto vergleichen:
  • Lift || Weight (Auftrieb || Gewicht bzw. Schwerkraft): Das Flugzeug selbst + Zuladung + Treibstoff + Pilot + Passagiere + etc. wiegt einiges.
    • Beim Auto wird diesem Gewicht von der Straße über die Räder entgegengewirkt – somit ist es dort relativ egal ob z.B. 2 oder 4 Personen im Auto sitzen und ob es etwas schneller oder langsamer fährt: Die Höhe über dem Boden wird von der Straße vorgegeben!
    • Bei einem Flugzeug funktioniert dies nur auf dem Boden – zum Fliegen müssen wir dazu eine andere „Gegenkraft“ erzeugen: den „Lift“. Nur so lange die Kraft des „Lift“ gleich der Kraft des „Weight“ ist kann sich das Flugzeug auf gleicher Höhe halten - zum Steigen oder Sinken muss der Lift variiert werden! Das ist die große Freiheit die wir haben: Wir müssen nicht einer Straße folgen - als Pilot sind wir somit 3dimensional frei - im Auto nur 2dimensional!
  • Air-Drag || Thrust (Luftwiderstand || Vortrieb): Diese Kräfte sind mit denen am Auto durchaus vergleichbar (abgesehen vom zusätzliche „Rollwiderstand“ des Autos). Wird der „Thrust“ stärker dann wird das Flugzeug (wie auch das Auto) schneller und vergrößert so den „Drag“ bis beide Kräfte wieder gleich groß sind – und umgekehrt.

Bewegungsachsen

Theorie-2-Axis.png
Nun lass uns sehen wie man sich in der 3dimensionalen Welt bewegt:
  • Normal axis (vertikale Achse): Dies ist die einzige Steuerungs-Achse die wir auch vom Auto kennen, nämlich das Lenken nach rechts/links. Alle anderen Achsen können beim Auto von uns nicht direkt gesteuert werden. Somit müssen wir beim Fliegen 2 Bewegungsrichtungen mehr kontrollieren als beim Autofahren – und deshalb meinen Piloten sie könnten mehr als die Autofahrer und hätten zudem viel mehr Freiheiten! In wie fern das stimmte, oder ob es vielleicht nur bei Teilgebieten stimmt, kannst Du mit steigender Flugpraxis für Dich selbst bestimmen!
  • Longitudinal axis (Längsachse): Nach rechts oder links abzukippen ist beim Auto eher ungewöhnlich (zumindest gibt es dafür keine eigene Lenkung!) - beim Fliegen wird dies ständig benötigt.
  • Lateral axis (Querachse): Beim Auto gibt Dir der Straßenverlauf vor ob Du hoch oder runter gehst – beim Fliegen musst Du auch dafür selbst die Verantwortung übernehmen! Du kannst natürlich (sehr theoretisch) auch im Flugzeug einfach mit ausgefahrenem Fahrwerk fliegen und Dich dann von einem Berg nach „oben zwingen“ lassen – das ist aber äußerst gesundheitsgefährdend!

Vielleicht ist Dir aufgefallen, dass ich im Vorstehenden den Bewegungsrichtungen keine Steuerungsorgane zugeordnet habe – obwohl in der Skizze eine solche Zuordnung angedeutet wird. Das hab ich ganz bewusst nicht getan – denn eine solche, stabile Zuordnung gibt es beim Fliegen nicht! Wir werden das gleich vertiefen!

Lift

Theorie-3-Lift.png
Wir haben vorstehend schon gelernt, dass das Weight (Gewicht) des Flugzeuges durch den Lift (Auftrieb) ausgeglichen werden muss. Der „Auftrieb“ aber wird hauptsächlich durch die unterschiedlichen Strömungs-Geschwindigkeiten der Luft über die Oberseite der Tragfläche im Vergleich zur Unterseite erzeugt. Siehe Dir das Profil der Tragfläche an: Die Luftströmung oberhalb der Tragfläche hat einen weiteren Weg zurückzulegen als unterhalb. Das bedeutet, dass die „Luftteilchen“ sich auf eine weitere Strecke verteilen müssen → die Luft wird dünner → was eine Sogwirkung erzeugt. Demgegenüber ist die Luft unterhalb der Tragfläche verdichtet → erzeugt also einen Druck. Sog und Druck wirken beide nach oben und sind gemeinsam der „Lift“, wobei der Sog nach oben mit ~75% Anteil wesentlich mehr zum Lift beiträgt als der Druck von unten mit nur~25%!

(Wenn Du mehr Theorie willst (sogar in Deutsch!): http://de.wikipedia.org/wiki/Fliegen_ %28Fortbewegung%29).

Dieses Bild erklärt auch recht anschaulich was ein "Stall" ist: Stell Dir vor die Tragfläche würde fast senkrecht gestellt (AoA), dann wird klar dass es für die Luft unmöglich wird weiterhin der Tragflächenoberseite zu folgen. Die Luftströmung reißt ab, zwischen dem abgerissenen Luftstrom und der Tragfläche bilden sich Verwirbelungen die keinerlei Lift erzeugen - es geht abwärts. Siehe das extra Kapitel über diesen "Stall".

Siehe Dir auch die drei Stellungen des Aileron an: In der blauen Stellung wird der Umweg für die obere Luftströmung noch länger, der Lift also größer und deshalb steigt die Tragfläche -- und sinkt wenn in der grünen Stellung. Und somit dreht sich das Flugzeug um die Längsachse - da die "Ailerons" an beiden Tragflächen entgegengesetzt gesteuerte werde!

Ein kleiner Nachtrag: Propeller sind nichts anderes als kleine Tragflächen (schau Dir mal die Form an!) - und sie verhalten sich auch genauso. Das heißt also: „Lift“ und „Thrust“ sind bei Propellermaschinen Kräfte, die auf gleiche Art und Weise erzeugt werden und senkrecht zum "Flügel" wirken! Der Unterschied ist:

  • „Lift“ wird von der Tragfläche erzeugt, wenn sie vom „Thrust“ durch die Luft gezogen wird
  • und „Thrust“ wird vom Propeller erzeugt, der vom Motor durch die Luft gedreht wird


Abhängigkeiten

Theorie-4-dependencies.png
Lass uns nun einmal anschauen was passiert wenn wir von unsere 3dimensionalen Freiheit Gebrauch machen. Las uns mal eine Kurve fliegen und sehen was (erstmal theoretisch) passiert:

Wie wir es bereits während unseres "Solos" gemacht haben starten wir mit der Benutzung der Ailerons, und leiten damit ein Abkippen um die Longitudinal axis ein (siehe das Bild). Wir erkennen sofort dass "Weight" und "Lift" zwar noch gleich groß sind, aber sich nicht mehr gegenseitig aufheben, da der "Lift" immer senkrecht zu den Tragflächen entsteht ist er jetzt also auch gekippt - und nur die senkrechte Komponente "L-1" wirkt noch dem "Weight" entgegen, während die "L-2"-Komponente uns in die Kurve zieht.

Da "L-1" also kleiner ist als "Weight" werden wir sinken - wir müssen dem wie üblich entgegen wirken: Also mit dem "Elevator = Lateral axis" die Nase heben um damit den "AoA" zu erhöhen - mit anderen Worten wir initialisieren zusätzlich ein Steigen. (Dosiere dieses Steigen aber so, dass wir unsere Flughöhe nicht ändern"! Klingt doch wunderbar paradox: Steigen - aber dabei keine Höhe gewinnen!)

Nun fangen wir an zu Kurven - und bekommen damit ein neues Problem! Du kennst das sicherlich aus Kindertagen oder aus dem Zirkus o.ä. - oder versuche es einmal mit ein paar Freunden: Stellt euch all nebeneinander und fasst euch bei den Händen startet euch im Kreis zu bewegen. Du wirst ganz schnell merken dass sich der am weitesten innen praktisch auf der Stelle dreht, der äußerste aber rennen muss! Vergleiche das Bild: Das rechte Tragflächen-Ende wäre dem "weitesten innen Läufer" gleichzustellen, und das linke Tragflächen-Ende dem "äußersten Läufer"! Merkst Du was das Problem ist? Die Tragflächen bewegen sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten durch die Luft und produzieren somit unterschiedlich viel Lift:

  • Als ein Nebeneffekt wird sich die linke Tragfläche heben und die rechte senken - also Deine mit den Ailerons begonnene Arbeit unterstützen. Aber Vorsicht: Diese Kraft bleibt bestehen auch wenn Du die Ailerons wieder neutralisierst - eventuell musst Du sogar mit den Ailerons entgegenwirken! Das ist doch wieder typisch für das Fliegen! An dem Punkt würdest Du mit den Ailerons nach links lenken während Du nach rechts willst! Ist doch eine verrückte Welt - dieses Fliegen!
  • Der zweite Effekt aber stört uns deutlich mehr: Durch die höhere Geschwindigkeit erhöht sich auch der "Drag", d.h. die linke Tragfläche wird abgebremst - mit anderen Worten: Die linke Tragfläche versucht uns nach links zu drehen, obwohl wir nach rechts wollen. Auch hier müssen wir entgegenwirken indem wir mit dem "Rudder = Normal axis" (wie schon mit den "Ailerons") nach rechts lenken!

Nun weißt Du auch warum wir bei den ersten Flugübungen die Option "--enable-­auto-­coordination" benutzt haben - das macht es wirklich einfacher!

Damit haben wir jetzt alle drei Achsen ganz bewusst verändert - nur um die Kurve zu fliegen!

Merke: Bei jeder Lage-Änderung sind immer alle 3 Achsen und der Lift betroffen!

Das mag Dich anfangs sehr verwirren – aber Du wirst auch ohne Physik-Studium bald bemerken, dass das Flugzeug tatsächlich so reagiert – und Du dem nach „Gefühl“ entgegenwirken musst. Also versuche es:

Starte neu

  • aber diesmal OHNE die Option „--enable-­auto-­coordination“ zu benutzen
  • und versuche für bestimmte Funktionen nur ein einziges Steuerorgan einzusetzen
  • und beobachten was die anderen Achsen etc. tun!

Im Kapitel „Richtig Kurven“ werden wird das noch verfeinern!


Die „Flaps“

Schon bei den ersten Landungen haben wir ohne viel zu überlegen die „Flaps“ (Landeklappen) eingesetzt – jetzt wollen wir sehen warum:

HB-C172-Flaps.png
  • Im linken Bild siehst Du die Flaps im voll ausgefahren Zustand.
  • Im rechten Bild siehst Du den Schalthebel für die Flaps. Leider ist dieser meist schön versteckt hinter dem Yoke des Co-Piloten, Du musst also evtl. den Yoke entfernen (Menü → Cessna C172P → Show/Hide Yoke). Und leider gibt es keine Maus-Schaltflächen dafür. Am Besten benutzt Du die Tastatur: Mit einem „]“ fahre die Flaps jeweils um eine Stufe weiter aus, mit „[„ wieder ein. Dabei beobachte, dass der rechte, größere Hebel sofort die gewünschte Stellung der Flaps anzeigt, während der linke, kleinere die derzeit aktuelle Stellung (inklusive des Transits) anzeigt.

Im Prinzip trifft auf die Flaps alles zu was wir auch über die Ailerons gesagt haben, aber sie werden auf beiden Seiten gleichzeitig in gleicher Richtung ausgefahren – das heißt sie bewirken keinerlei Kipp-Funktion, sondern erhöhen den Lift - gleichzeitig aber auch den "Drag"!

  • Flaps helfen Dir insbesondere bei Landungen und auch bei Starts, denn
    • Du kannst mit gesetzten Flaps deutlich langsamer fliegen - wegen der gesteigerten Tragkraft des "Lift"
    • Du wirst mit gesetzten Flaps deutlich langsamer fliegen - wegen der Bremswirkung des "Drag"
    • zusätzlich kannst Du die Landbahn (bzw den Boden) sehr viel besser sehen, da sich die Flugzeug-Nase und damit Dein Sichtfeld nach unten senkt
  • Aber sei vorsichtig mit der Anwendung
    • wenn Du zu schnell zu viel Flaps aktivierst kann die Luftströmung die Flaps abreißen (ja - ist schon passiert!)
    • wenn Du plötzlich, während Du schon nahe der Stall-Geschwindigkeit bist plötzlich die Faps von 0 auf 100% ausfährst, wird der Bremseffekt Dich unter die Stall-Speed bringen - und im letzten Teil eines Anfluges hast Du nicht genügend Höhe um noch abzufangen! (Siehe das nachfolgende Kapitel über "Stalls")

Achte also darauf die Flaps immer wohl dosiert einzusetzen. Sie werden bei Landungen immer, bei Starts von Fall zu Fall, eingesetzt, also immer dann wenn wir besonders langsam fliegen wollen (oder müssen) oder möglichst früh abheben wollen. Und dosiert einsetzen heißt: Wenn Du bei 100 kn die Flaps auf einen Schlag komplett ausfährst, wird Deine Maschine eine gewaltigen Satz nach oben machen (und Du fliegst mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe - wenn es denn kein Simulator wäre). Aber generell: Du kannst dabei sehr schnell in eine unkontrollierbare Fluglage geraten!

C172-Airspeed.png
Vergleiche die weiße Ring-Markierung für die Flaps mit der grünen Ring-Markierung für normale Geschwindigkeiten. Du solltest erkennen:
  • dass Du mit Flaps deutlich langsamer fliegen kannst, nämlich bis zu ca. 42 kn, gegenüber dem allgemeinen Minimum von 50 kn
  • dass Du die Flaps aber erst unterhalb von 100 kn einsetzen darfst! Denke ganz besonderes an dieses 100 kn Limit, denn wegen seiner Bremswirkung benutzen Piloten die Flaps gerne, um die Geschwindigkeit schneller zu reduzieren – und da schaut man schon mal nicht so genau auf den Tacho!!! Also: Vorsicht!!
  • Die 2te Stufe solltest Du nur unterhalb von 85 kn einsetzen

Die Benutzung der Flaps in unserer "c172p":

  • für das normale Fliegen
  • 10° für Starts von sehr kurzen Landebahnen oder während des ersten Teiles des Landeanfluges (z.B. wie wir geübt haben im „Downwind“, wenn wir auf 80 kn reduzieren!)
  • 20° während des Sinkfluges auf die Landebahn – ab hier überwiegt der Nutzen des Brems-Effektes deutlich den Lift-Effekt. Sei also darauf gefasst, dass Du evtl. deutlich mehr Gas geben musst um die Geschwindigkeit zu halten!! Aber auch wenn Du eigentlich keine weitere Bremswirkung benötigst, solltest Du diese Stellung aus 2 Gründen einsetzen:
    • Es ist wesentlich leichter die Motorleistung im Endanflug richtig zu dosieren, wenn die Drehzahl bereits etwas höher ist
    • und im Falle eines Motorausfalles im letzten Teil des Anfluges kannst Du schnell die Flaps einfahren um so ganz schnell eine Geschwindigkeits-Reserve für den letzten Teil des Anfluges (dann als „Segelflugzeug“) zu haben!
  • 30° wenn die Geschwindigkeit vor dem Aufsetzen noch einmal reduziert werden soll (nicht empfehlenswert bei nennenswertem Gegenwind). Wenn auch dies als Bremse nicht reicht siehe das Kapitel über „Slip-“ und „Crab-“ Landungen im Kapitel "Der Umgang mit dem Wind“

Kontrolliere die Stellung der Flaps regelmäßig an Hand des kleineren Hebels oder:

  • benutze „groß←“ bzw. „groß→“ um nach links/rechts direkt auf die Flaps zu schauen – und dann wieder „groß↑“ um nach vorne zu schauen
  • oder „v“ um in der Außenansicht die Stellung zu überprüfen - allerdings ist es in der Sicht schwierig die tatsächliche Stufe (10° - 20° - 30°) zu erkennen!

„Stall“ und „Spin“

Am Anfang dieses Kapitels haben wir gelernt, dass wir während des Fliegens dem „Weight“ (bzw. der „Schwerkraft“) mittels des „Lift“ entgegen wirken müssen, und dass dieser „Lift“ hauptsächlich durch die Strömung der Luft über die Oberseite der Tragfläche erzeugt wird. Wir können (bewusst oder unbewusst) auf 2 Wegen diese Luftströmung von der Tragflächenoberseite abreißen lassen:

  1. Der High-Speed (schnelle) Stall: Du kannst Dir sicherlich vorstellen, dass die Luft nicht mehr der Oberfläche der Tragfläche folgen wird, wenn diese im Extremfall 90° zur Luftbewegung steht! Sie wird dann nicht der Oberfläche folgen können – sondern sich erst später wieder vereinigen können – somit entsteht zwischen der Tragfläche und dem Punkt der Wiedervereinigung ein Raum mit vielen Wirbeln aber ohne jegliche Tragkraft! Dies geschieht besonders gerne, wenn Du schnell fliegst und die Maschine ganz abrupt nach oben reißt. Dies funktioniert mit Jets relativ einfach – bei unsere gutmütigen c172p musst Du Dir hierfür schon extreme Mühe geben!
  2. Der Low-Speed (langsame) Stall: Ebenso musst Du mit einem Stall rechnen, wenn Dein Flugzeug so langsam wird, dass die Luftströme über/unter den Tragflächen nicht mehr genug Lift erzeugen - irgendwann reicht der Lift dann nicht mehr –-> die Maschine sinkt senkrecht weg und damit entstehen (wie bei 1) die Luftverwirbelungen oberhalb der Tragfläche – und das war's dann!

Schön wäre es, wenn sich die Luft nach dem Absacken und einer etwas erhöhten Geschwindigkeit sofort wieder an die Tragflächen anschmiegen würde – aber das wird von der Verwirbelung verhindert! Du musst nachhelfen indem Du die ganzen Luftverwirbelungen etc. mit überhöhter Geschwindigkeit erst „wegbläst“ um dann wieder ganz vorsichtig die normale Fluglage herzustellen! Also

  • erst mal mit dem Yoke (Steuerhorn) sofort in den Sturzflug steuern und gleichzeitig Vollgas geben um deutlich Fahrt aufzunehmen
  • nachdem dann bei deutlich höherer IAS die Luftverwirbelungen „weggeschoben“ worden sind
  • ganz langsam die Nase hochziehen. Mache es langsam – denn wenn Du jetzt abrupt hochziehst reißt der Luftstrom sofort wieder ab (siehe 1) – und Du hast dann Deinen wohlverdienten nächsten Stall!

Ist Dir aufgefallen, dass wir noch nach unten steuern können? Das Höhenleitwerk also noch funktioniert? Tatsächlich gehört es zu den Künsten der Flugzeugbauer sicherzustellen, dass am Höhenleitwerk die Strömung erst bei deutlich schlechteren Bedingungen abreißt als bei den Tragflächen!

Du meinst jetzt bestimmt: „Du hast gut reden – dazu hab ich bei der Landung nicht genug Höhe und Zeit – ist doch Schwachsinn!“. Und Du hast recht: Jemand der es im „Short Final“ (Endanflug) zum Stall kommen lässt ist schwachsinnig oder betrunken oder müde oder ...oder.. Ähnlich wie wenn Du vom Hochhaus ohne Fallschirm springst – wie soll man da noch helfen? Aber im Flugzeug gibt es zumindest mehrere Warnungen:

  • Die „Stall-Warning“ - das heißt: Kurz vor dem Abriss der Strömung warnt eine Sirene (manchmal auch eine nette Frauenstimme) – und dann heißt es sehr schnell, aber überlegt handeln – aber ganz bestimmt nicht abrupt! Geschwindigkeit aufnehmen – wie auch immer! Wenn es tatsächlich zum Abriss kommt, bedeutet dies auf jeden Fall einen deutlichen Höhenverlust! Natürlich hörst Du die Warnung nur, wenn Du nicht die Option "--disable-sound" (Lautsprecher ausschalten) benutzt. In der Wirklichkeit kann man diese Warnung nicht abschalten - im Simulator doch!
  • Du merkst auch im Simulator deutlich, dass die Steuerung sehr "schwammig" wird (falls Du nicht zu denen gehörst die alles von George (Autopilot) erledigen lassen!)
  • Und Du solltest unbedingt die Stall-Speed Deines Modells kennen (d.h. austesten!)

Eigentlich ist ein Stall absolut ungefährlich – wenn man hoch genug ist und weiß was man tut! Diesen Flugzustand zu üben gehört deshalb zum Basisprogramm einer jeden Piloten-Ausbildung! Lass es uns versuchen:

  • Bringe die Maschine auf eine gute Höhe, sagen wir ca. 2000 ft über Grund.
  • Trimme sie auf einen stabilen Geradeausflug
  • Reduziere nun die RPM und halten die Maschine mittels des Höhenruders auf Höhe (Finger weg vom Trimmen!)
  • Reduziere weiter bis der Warnton ertönt – registriere den und mach weiter -- genau die Höhe halten während die Geschwindigkeit weiter zurückgeht.
  • Im wirklichen Leben würdest Du jetzt merken, dass die Steuerung „butterweich“ wird und wenig Reaktion zeigt! Aber auch im Simulator merkst Du eine deutliche Änderung des Verhaltens bei der Steuerung - versuche Dir dieses abscheulich schwammige Fluggefühl einzuprägen
  • Reduziere weiter bis plötzlich die Nase weg-sackt, dann
    • Nase runter und Vollgas
    • und GANZ VORSICHTIG wieder hochziehen
    • die Stall-Geschwindigkeit unser Cessna ist zwischen 45-50 kn - und der normale Steigflug bei ~70 kn - somit würde ich bei etwas über 70 kn anfangen LANGSAM hochzuziehen!

Übe dies ruhig ein paar Mal und versuche herauszufinden wie Du den Punkt erkennen kannst, an dem die Maschine "stallen" wird! Wenn Du das im Gefühl hast, kannst Du ein Menge unnötiger Abstürze vermeiden!

Übe dies dann auch mit Flaps in unterschiedlichen Stellungen!

Und merke Dir die Geschwindigkeiten bei denen der Stall auftritt - bleibe bei einer Landung oberhalb dieser Geschwindigkeit - aber erinnere Dich: Zur perfekten Landung gehört der Stall: 1 cm über der Landebahn, nicht früher! Also schwebe dicht über dem Boden und reduziere die Geschwindigkeit bis zum Stall!


Der Spin ist übrigens nichts anderes als „ein Stall über eine Tragfläche“. Erinnere Dich: Wir hatten weiter oben erklärt dass sich in der Kurve die außen-liegende Tragfläche schneller bewegt als die innen liegende – das heißt der Auftrieb an der inneren ist bereits reduziert und wird bei Stall-Gefahr als erstes keinen Auftrieb mehr erzeugen! Wenn Du also z.B. im Endanflug schon „Stall-gefährdet“ bist und dann noch ganz schnell die Richtung korrigierst um die Landbahn zu erwischen, dann stehen die Chancen gut jetzt über die innere Tragfläche zu „Stallen“ und damit dann wunderbar zu „Spinnen“. Das Mittel dagegen ist ähnlich wie beim Stall (Nase runter und Vollgas) – aber hier musst Du zusätzlich zuerst aus der Drehbewegung heraus: Also zuerst ganz kräftig in die Pedale des Seitenruders treten und hoffen dass dort die Strömung noch nicht abgerissen ist und somit die Drehbewegung aufhört! Aber aufpassen, dass Du dann nicht direkt in einen „Gegen-Spin“ gerätst! Das Zauberwort heißt: "Kräftig - aber wohl dosiert"! Was das bedeutet? ÜBEN !

Du kannst auch dies wunderbar üben, wenn Du wie oben einen Stall einleitest, und kurz bevor die Nase absackt eine starke Kurve einleitest. Viel Spaß beim Karussell fahren!

Mach es Dir zur Gewohnheit, gerade diese Stall-Übungen mit jedem Modell in großer Höhe durchzuspielen BEVOR Du damit die erste Landung versuchst! Auf diese Weise erfährst Du dann auch auf einfachste Art und Weise wie hoch Deine Minimum-Geschwindigkeit sein muss: Im Anflug, im Endanflug, und beim Aufsetzen! Natürlich steht das auch in den Büchern – die man unbedingt vor dem Start auswendig lernen muss – aber manchmal sind die eben gerade nicht greifbar! Trotzdem:

Du musst unbedingt die Stall-IAS aller Modelle kennen, die Du fliegst -- bevor Du landest!!
Und sei Dir bewusst: Um so schneller ein Flugzeug fliegen kann - um so schlechter sind seine Stall-Eigenschaften!

Wenn Du noch mehr über "Stalls & Co" wissen willst empfehle ich: http://de.wikipedia.org/wiki/Str%C3%B6mungsabriss

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